(rf) „Mit des Teufels Kraft kommt Hagel, Sturm und Hexenschuss, wodurch das Menschlein kriechen muss!“ Worte, welche die „Alsfelder Hexen“ anlässlich einer Aufführung des örtlichen Gymnasiums im Rahmen der städtischen Veranstaltung „Alsfelder Kellerwunder“ in der „Gruft“ des ehemaligen Beinhauses, dem heutigen Stadtarchiv, sprachen.

Nachdem Simone Schneider von der Stadt Alsfeld und Initiatorin der „ersten Alsfelder Kellerwunder“ die hiesige Albert-Schweitzer-Schule gefragt hatte, ob sich diese eine Beteiligung an der Abendveranstaltung vorstellen könnte, stimmten Schulleiter Christian Bolduan, Projektleiter Michael Rudolf und die elfköpfige Projektgruppe aus den Jahrgangsstufen 9 und E spontan zu. Das Thema „Sie seien weggefahren in der Luft. Hexen und Teufel in Alsfeld – ein Ausnahme-Verbrechen?“ war rasch gefunden, hat die Schule bereits 2022 drei Aufführungen der „Alsfelder Hexennacht von 1663“ auf dem Marktplatz veranstaltet. Die im Gewölbekeller des Beinhauses verkürzte Darstellung der Schülerinnen und Schüler sollte die dortige Atmosphäre des Zauberhaft-Magischen wie Makabren spiegeln.

Die gut besuchte Veranstaltung begann mit einer Einleitung des Projektleiters, des Lehrers und Stadtarchivars Michael Rudolf, der über den Hexen- und Teufelsglauben als „Ausnahme-Verbrechen“, das „crimen exceptum“, sprach und allerlei allgemeine und lokale Beispiele des einstigen Delikts heranzog. Cedric Röhrig, Christian Schumann und Anselm Wirth, Oberstufenschüler der Einführungsphase der ASS, führten die Veranstaltung mit zahlreichen Alsfelder Ereignissen rund um den Hexen- und Teufelsglauben, die Zauberei, den Aberglauben und so manches „Hexengeschrei“ fort, indem sie sich auf die Einträge des Magisters und Pfarrers Georg Eberhard Happel aus dem 17. Jahrhundert und weitere Quellen beriefen. In deren spannenden, interessanten und sehr souverän gehaltenen Vorträgen vermittelten die drei Schüler dem Publikum einen Eindruck davon, dass Alsfeld nicht frei vom Glauben an Hexen und Teufel war, wurden in Stadt und Umland Mädchen und Frauen genauso verhört und angeklagt wie ein junger Erwachsener nach dessen Folter auf dem Alsfelder Galgenberg als vermeintlicher Zauberer sein Leben verlor. Die breit gefächerten und noch heute bewegenden Erzählungen basieren auf der von der Albert-Schweitzer-Schule 2020 publizierten Broschüre „Von Hexen, Teufel und anderem Kuriosen. Ein Stadtrundgang zwischen den Welten“, die ihrerseits beim Publikum großen Zuspruch fand und an diesem Abend schnell vergriffen war. Die drei vortragenden Schüler bereiteten mit ihren Darstellungen und Interpretationen über die Alsfelder Verhältnisse in jener Zeit die Grundlage, auf der die sich anschließenden gespielten szenischen Auszüge aus dem großen Theaterspiel fußten.

Ein weiterer Höhepunkt des Abends war der Auftritt der Theatergruppe mit Swantje Gerbig, Rona Jaka, Damla Kahraman, Frieda Kraus, Mahsa Mir Mohammadi, Leandra und Lennard Nagel sowie Ioana Sandu. In ihrem Spiel, in dessen Zentrum das von Georg Eberhard Happel 1663 verhörte „Hexen-Mädchen Lisa“ steht, ließen die in adäquate Kostüme gekleideten Akteurinnen und der Akteur die Alsfelder Welt des 17. Jahrhunderts um den Hexen- und Teufelsglauben lebendig werden. Beeindruckend waren die dem Publikum durch eine Bürgerin mitgeteilten Bedenken über die schrecklichen Ereignisse jener Tage, wo, wie und wann sich der Teufel den Menschen nähere oder des Nachts auf Plätzen und in Gassen umhergehe oder der dem Brunnen auf dem Markt entsteige, begleitet von wölfischem Geheul oder dem Brüllen eines Löwen. Ioana Sandu verstand es in der Bürgerin Rolle gekonnt, die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich zu ziehen und dieses mit ihren ausdrucksstarken Worten sowie ihrer überzeugenden Gestik und Mimik gleichzeitig noch tiefer in die Spielinhalte einzuführen.

In Sprache und spielerischem Talent nicht minder überzeugend war der Auftritt der Mädchen Lisa und Katharina, verkörpert von Damla Kahraman und Frieda Kraus. Das Publikum folgte gebannt dem nicht alltäglichen Dialog Lisas und Katharinas, ob es ein Traum oder Wirklichkeit sei, was erlebt wurde oder erlebt werde, ob es Hexen und Teufel wirklich gebe und ob die Mädchen in der Lage seien, durch zwei auf einem Dachboden gefundene Besen, die sie „in der Luft wegfahren lassen“, zum nächtlichen Treiben auf den Bechtelsberg zu gelangen und um dort mit dem Teufel am Hexentanz teilzunehmen.

Der Aufzug der Hexen, Swantje Gerbig, Rona Jaka und Leandra Nagel, war ebenso spektakulär, nicht nur durch die eiligen, aber auch wieder wartenden Bewegungen beim Aufzug auf den „Bechtelsberg“, sondern vor allem wegen der sehr emotional gesprochenen, eloquenten und nachwirkenden dialogischen Phasen, aus denen zu erkennen war, wie freudig sich die Hexen gebärden, um den Teufel zu treffen, um mit ihm „Walpurgisnacht“ zu feiern und um allerlei Schadenszauber zu verabreden, worunter die Menschen leiden sollten.

Den inhaltlichen Rahmen und die nötigen Interpretationen lieferten die Erzählerin und der Erzähler, Mahsa Mir Mohammadi und Lennard Nagel, die in begleitenden Versen das Geschehen zudem äußerst ansprechend, sehr verständlich, frei und sprachlich überzeugend einordneten, interpretierten und vermittelten.

Das Publikum, das zumindest einen Platz in der engen Räumlichkeit gefunden hatte, honorierte die gelungenen Vorträge sowie das eindrucksvolle Spiel mit einem langanhaltenden Applaus und lobenden Worten. Einziger Wermutstropfen ist, dass die Projektgruppe eine geraume Zeit vom anwesenden Hessischen Rundfunk gefilmt wurde, im Bericht der Hessenschau über „Alsfelds Kellerwunder“ werden Hexen und Teufel vergeblich gesucht.

Aber wer weiß, ob das Magische und Zauberhafte, das Teuflische und Hexenhafte sowie das Dämonische und Abergläubische nicht doch schon zur Walpurgisnacht im nächsten Jahr wieder lebendig wird?