„Die Hexen zu dem Brocken ziehn, die Stoppel ist gelb, die Saat ist grün. Dort sammelt sich der große Hauf, Herr Urian sitzt oben auf. So geht es über Stein und Stock, es f(arz)t die Hexe, es s(tink)t der Bock“, heißt es in Goethes Faust I, wenn er in seiner „Walpurgisnacht“ die Hexen zum „Brocken im Harz“ fliegen lässt.
In der „Walpurgisnacht“, dem Abend vor dem ersten Mai, trieb der Aberglaube der Menschen so manch` seltsame Blüten. Die Erzählungen über die Unholde und Dämonen, die Erd- und Luftgeister, die Hexen und den Teufel waren aktueller als in unserer Zeit. Mit Maienbuschen, ausgelegten Besen, Peitschenknallen, Glockengeläut und verschiedenen Feuerbräuchen versuchten sich die Menschen selbst sowie Haus und Hof vor den zu ihren Tanzplätzen eilenden Hexen in der „Walbernacht“ zu schützen.
Gruselgeschichten, Erzählungen über die Hexen und den Teufel sowie Bemerkenswertes über allerlei Aberglauben sind in früheren Jahrhunderten entstanden und in der Alsfelder Region, dem Vogelsberg und der Schwalm lebendig geblieben und haben den „teuflischen Kreis von Angst und Schrecken in Gang“ gehalten.
Obschon der 30. April mit vielen historischen Ereignissen und wechselvollen Geschehnissen besetzt ist, sind die bis heute gepflegten Feuerbräuche als Überbleibsel eines heidnischen Brauchtums greifbar und dienen vorwiegend dazu, den Winter endgültig zu vertreiben und gleichzeitig das Frühjahr und den sich anschließenden Sommer zu begrüßen. Und dabei dürfte sich die eine oder andere Seele insgeheim noch an die Hexenflüge, den Hexensabbat und den Hexentanz erinnern, da die diesbezüglichen, natürlich fiktiven Ereignisse durchaus in der oralen Tradition sowie in den zahlreichen schriftlichen Aufzeichnungen früherer Zeiten existent sind. Wer denkt in diesem Zusammenhang nicht an das wilde, schaurig-schöne und einst nicht ungefährliche Treiben der Hexen auf dem Brocken, das den Glauben an die Macht des Bösen in der Nacht zum 1. Mai aus historischem und touristischem Interesse erweckt.
Was in den Vogelsberger und Schwälmer Sagen, die zu großen Teilen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts beispielhaft in der Alsfelder Oberhessischen Zeitung veröffentlicht worden sind, an Abscheulichem, Grausamen, Pervertiertem und Obszönem mitgeteilt wird, ist dieser Art der Erzählungen eigen und entspricht den Motiven, die in der schrecklichen Zeit der Hexenverfolgungen praktiziert und erzählt wurden, die in den Vorstellungen über das diabolische Wirken von Frauen, Männern sowie Kindern präsent waren und diese nicht selten erst durch die Folter ihre Ausschmückung samt Besagungen erhielten.
In Alsfeld und Umgebung sind die „Geschichten“ vom „Bechtelsberg“ wohl am bekanntesten, in denen wir vom Hexenflug, dem Hexensabbat und dem Hexentanz hören, sobald sich die Hexen in der Walpurgisnacht mit dem Teufel treffen, ihm Treue schwören, diesem dienen und versprechen, Menschen und Tieren zu schaden, beispielsweise durch das „Kochen“ eines Unwetters, das Zerstören der Ernte, das Anzaubern unheilvoller Krankheiten, das Senden eines schmerzhaften Hexenschusses, das plötzliche Hereinbrechen eines Unglücks oder das Säen der latenten Unzufriedenheit oder das leidvolle Antragen einer Melancholie.
In dem von Schülerinnen und Schülern der Albert-Schweitzer-Schule 2022 anlässlich des „Stadtjubiläums“ aufgeführte Schauspiel „Eine Alsfelder Hexennacht von 1663“ spiegelt sich die beschriebene Situation rund um die Walpurgisnacht, wenn die zu ihrem Tanzplatz auf dem „Bechtelsberg“ bei Berfa ziehenden Hexen beispielsweise sagen: „Herrlich ist die Walpurgisnacht, und wir warten auf des Teufels Macht! Er lässt uns genesen, wir schmieren unsere Besen, denn die Salbe, die wir im Kessel machen, lässt es erst richtig krachen! Mit des Teufels Kraft kommt Hagel, Sturm und Hexenschuss, wodurch das Menschlein kriechen muss […]“.
Neben diesem Schauspiel, das im nächsten Jahr zu Walpurgis wieder eine Aufführung erleben soll und einer 2020 veröffentlichten Broschüre mit Zeichnungen von Schülerinnen zum Hexen- und Teufelsglauben, bietet die Stadt Alsfeld – in Kooperation mit der Albert-Schweitzer-Schule und dem Stadtarchiv – über das gesamte Jahr Stadtführungen zum Thema Hexen- und Teufelsglauben in Alsfeld und Umgebung an.
Dieser Rundgang folgt den Spuren des Dämonischen, des Magischen und des Zauberhaften. Zur Sprache kommen das wilde Treiben der Teufel in Alsfelds Passions- und Weihnachtsspiel, die Untersuchungen Georg Eberhard Happels gegen die der Zauberei Verdächtigen, das Verhör und die Hinrichtung eines Zauberers und vor allem die erstaunliche Geschichte des Mädchens Lisa und ihrer Teilnahme am Hexensabbat 1663, die vom Alsfelder Hellhof zum Bechtelsberg „in der Luft gefahren sei“, um dort am Hexensabbat teilzunehmen und dabei den Teufel traf.
Himmelserscheinungen, die Rolle der Alsfelder Scharfrichter und Kriminalität im alten Alsfeld werden neben der wechselvollen und jahrhundertealten Geschichte der Stadt zu Gehör gebracht.
Buchbar ist die Führung mit oder ohne szenischem Spiel über das Tourist Center Alsfeld (Tel. 06631/182-165 oder tca@stadt.alsfeld.de).

Foto/Zeichnung:
Amelie Theis, Hexenflug des Mädchens Lisa 1663 vom Hellhof zum Bechtelsberg